Open Banking: Schlagwort oder Mehrwert?
Die Einführung von Open Banking verleiht den Kunden der europäischen Banken eine nie zuvor da gewesene Kontrolle über ihre eigenen Daten und deren Benutzung für wirtschaftliche Zwecke. Kunden können bestimmen, mit wem sie ihre finanziellen Daten teilen möchten und somit auch zu ihrem eigenen Vorteil nutzen können. Doch was macht die Bereitstellung von persönlichen Bankdaten so revolutionär?
«Daten sind das neue Öl», wie es der Economist im Jahr 2017 treffend beschrieben hatte. Dass Kundendaten nicht den Banken, sondern ihren Kunden gehören, ist eine fundamentale Prämisse, die sich nun durchsetzt und die Landschaft im Finanzwesen enorm umpflügen könnte.
Aktuelle Technologien ermöglichen eine Kollaboration zwischen traditionellen Banken und anderen Anbietern, z.B. Fintechs, durch den Informations- und Datenaustausch über APIs (application programming interfaces). Der API-Begriff hat seinen Ursprung im Softwarebereich und bezeichnet eine Schnittstelle, die den Transfer von Daten und die Kommunikation zwischen ursprünglich voneinander getrennten Systemen ermöglicht. In der Finanzindustrie wurde in Europa durch die Einführung der Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 (Revised Payment Services Directive) im Jahr 2016 die Entwicklung beschleunigt. Der regulatorische Rahmen veranlasst die europäischen Banken, APIs offenzulegen und für andere Dienstleister zugänglich zu machen. Ziel davon ist es, den Wettbewerb und das Nutzererlebnis zu stärken. In der Schweiz wird dieses Ziel von verschiedenen Interessengruppen vorangetrieben, wobei das prominenteste Beispiel das zentrale Plattform-Modell b.Link der SIX sein dürfte. Hier werden Drittanbieter sowie Banken mit einer einzigen Anbindung gleichzeitig abgedeckt. Die Vereinheitlichung der API-Spezifikationen und des Vertragswerks stechen als Vorteile heraus.
Der vereinfachte Zugang für Drittanbieter ermöglicht datenbasierte Innovationen. Als Beispiel dienen hierfür Unternehmen im Immobilien-Markt. Durch die Analyse von riesigen Datenmengen können Plattformen behilflich sein bei der Suche nach dem perfekten neuen Zuhause, basierend auf den Zahlungsgewohnheiten eines Benutzers. Präferenzen, bei welchem Einkaufsladen ein Kunde die wöchentlichen Einkäufe tätigt, könnten helfen, eine geeignete Wohnung z.B. in der Nähe dieses Ladens zu finden. Daten basierend auf dem finanziellen Verhalten erlauben es Anbietern den Lifestyle und die Ansprüche der Kunden zu identifizieren und diese Erkenntnisse zur Monetarisierung zu nutzen. Die richtige Kategorisierung eines Kunden ermöglicht eine Vielzahl an Annahmen abzuleiten. Hat der Kunde ein Studenten-Darlehen aufgenommen? Bezahlt die Kundin eine Hypothek zurück? Die Beantwortung solcher Fragen lässt Vorhersagen zu, dass z.B. der Student sich nach kostengünstigen Lösungen umschauen wird. Die Datengewinnung aus Open Banking APIs erlaubt es Marketing-Spezialisten, ihre Kunden noch spezifischer anzugehen und ihre Konversionsrate mit relevanteren Werbungen zu erhöhen. Die Datenbanken der Finanzdienstleister dürfen in diesem Sinne getrost als Ölfelder angesehen werden, deren Anzapfung wirtschaftlich enorm rentabel sein kann.
Trotz der vielversprechenden Perspektiven, die Open Banking offeriert, ist die Etablierung nicht simpel zu erreichen. Auf der technischen Seite muss eine einwandfreie Funktionsweise der APIs garantiert werden können. Da bisher noch kein einheitliches Ökosystem geschaffen wurde, kann die Servicequalität von Banken unterschiedlich ausfallen. Dieses Risiko bedeutet für Unternehmen, dass sie ständig ein Geschäftsausfallrisiko haben aufgrund von APIs, die nicht antworten. Im November 2020 gab es beispielsweise im Vereinigten Königreich mehr als 5,7 Millionen erfolglose API Calls (gemäss Statistiken der Open Banking Implementation Entity). Diese Unzuverlässigkeit muss zuerst überwunden werden können, bevor Open Banking richtig Fahrt aufnehmen kann.
Aus regulatorischer Sicht spielt die Gewährleistung des Datenschutzes eine übergeordnete Rolle. Was es diesbezüglich alles zu berücksichtigen gibt und welche Risiken und Verantwortlichkeiten bei der Datenwertschöpfung existieren, wurde im separaten Artikel von Adrian Anderegg «Daten das neue Gold» anhand von konkreten Use Cases verdeutlicht. Cyberkriminalität ist heutzutage eine Gefahr für jede Bank, und nicht weniger für Open Banking. Regulatoren müssen sich deswegen überlegen, wie Gesetze ausgearbeitet werden und wo die Grenzen der Haftung gezogen werden sollen. Dies könnte unter anderem mit einem rigorosen Zulassungsverfahren für Drittanbieter gelöst werden. Aufgrund der sich schnell entwickelnden Technologie muss die Gesetzgebung aber mit dem nötigen Spielraum ausgestaltet werden, damit diese nicht laufend erneuert werden muss. Die momentane Geschwindigkeit der Technologieentwicklung hat zur Folge, dass sich Regulatoren des Öfteren hinter der Innovationskurve bewegen.
Mehrwert
Open Banking hat also das Potenzial einen enormen Mehrwert für Kunden zu leisten, wenn die nötigen Grundlagen dafür gelegt wurden. Solange sich diese noch nicht verfestigt haben, dürfte es noch eine Weile dauern, bis man einen sprunghaften Anstieg von Innovationen in diesem Bereich erwarten kann.
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«Resilienz des Schweizer Finanzplatzes - Open Banking als Chance».In einem nächsten Beitrag werden APIs anhand eines Frameworks vertiefter beschrieben, welches die vielseitigen Aspekte von Open Banking illustriert. Das Ziel liegt darin, einen ganzheitlichen und technischen Überlick über das API-Management zu schaffen.
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