Digitale Börsen und Wertpapiere: Die Schweiz macht den Start
Im Bereich der digitalen Börsen und Wertpapiere steht die Schweiz an vorderster Front. Seit dem 1. August 2021 sind die rechtlichen Grundlagen des Bundesrats in Kraft, die digitale Börsen und Wertpapiere ermöglichen. Im Juli 2022 wurden in der Schweiz die ersten digitalen Wertschriften herausgegeben. Dies ist Teil der aktuellen Strategie «Digitale Schweiz» des Bundes, welche die Schweiz zu einem der attraktivsten Wirtschaftsstandorte weltweit für digitale Unternehmen macht.
Die Schweiz befindet sich im digitalen Wandel. Mit der Strategie «Digitale Schweiz» hat der Bundesrat im September 2020 Richtlinien vorgegeben, die zum Ziel haben, der Gesellschaft und Wirtschaft zu ermöglichen, die vielen Chancen der Digitalisierung, wie namentlich Effizienzgewinne auf Basis von Automatisierung von Prozessen, stärkeres Wachstum durch Verwendung digitaler Verteilungskanäle oder Komforterhöhung für Kunden, zu nutzen.
Die Digitalisierung bringt für neue Unternehmen Chancen. Start-ups, insbesondere jene, die neue Technologien sinnvoll und wertschöpfend nutzen, sind wichtige Treiber der Schweizer Wirtschaft. Mit der Strategie «Digitale Schweiz» beabsichtigt der Bund, den Standort Schweiz für weitere Start-ups zu fördern und die dazu geeigneten Rahmenbedingungen, wie namentlich einer besseren Rechtssicherheit für Unternehmen, zu schaffen.
Bereits heute zählt die Schweiz gemäss einem kürzlich erschienenen Berichts des Global Entrepreneurship Monitor zu den 10 besten Standorten für Entrepreneure weltweit. Insbesondere beim Transfer von Forschungsergebnissen in Start-ups sowie in der Attraktivität von Regulierungen und steuerrechtlichen Vorteilen gehört die Schweiz in die globale Top 5.
Ein besonderes Augenmerk in der Strategie gehört dem Fintech-Sektor, der die technologische Expertise mit dem Ruf der Schweiz als vertrauenswürdiger, zuverlässiger und integrer Banken- und Versicherungsstandort kombiniert. Seit 2015 ist die Anzahl Fintech-Unternehmen in der Schweiz von 161 auf 384 angewachsen. In der neusten jährlichen Fintech-Studie der Hochschule Luzern steht die Schweiz an zweiter Stelle der führenden Fintech-Standorten weltweit.
Zu den bedeutendsten neuen Technologien, namentlich für den Fintech-Sektor, gehören die Technologie verteilter elektronischer Register (sogenannte Distributed Ledger Technology, DLT) sowie die Blockchain-Technologie.
Ledger steht für ein Register, in dem ein- und ausgehende Transaktionen festgehalten werden. Distributed bedeutet in diesem Zusammenhang, dass diese Buchführung nicht zentral, sondern dezentral und gemeinsam mit anderen Teilnehmern geteilt und geführt wird. Kennzeichnend für DLT ist, dass sich diese Teilnehmenden nicht kennen und nicht wissen, wie viele das Register gemeinsam verwalten.
Obschon DLT und Blockchain oft synonym verwendet werden, so umfasst der Begriff DLT alle auf verteilte elektronische Register basierende Systeme, darunter auch die Blockchain-Technologie. Sie ist bloss eine der möglichen Formen, wie Daten auf einem solchen Register abgelegt werden können, aber zweifelsohne die Bekannteste. Ihre Popularität verdankt die Blockchain-Technologie ihrem Einsatz in der weltweit grössten, seit 2009 existierenden Kryptowährung Bitcoin. Zu den alternativen DLTs gehören Hashgraph, Iota Tangle und R3 Corda.
Ein mit DLT verbundener Begriff ist Token. Ein Token ist eine digitale Repräsentation einer Einheit in einem elektronischen Register, das auf DLT basiert. Es werden zwei Kategorien von Token unterschieden: Zahlungs-Token, wie namentlich eine Einheit der Kryptowährung Bitcoin, die elektronisch gehandelt und in Echtgeld umgewandelt werden kann. Eine zweite Kategorie bildet eine Rechtsposition wie eine Forderung oder Mitgliedschaft, vergleichbar mit einem traditionellen Wertpapier. Ein solches Token kann ebenfalls, analog zu Wertpapieren, digital gehandelt werden.
Ungeachtet der zahlreichen Anwendungsformen der DL- und Blockchain-Technologien nehmen die Technologien in der Schweiz derzeit noch eine untergeordnete Rolle ein, wie die jährliche Befragung der heimischen IT-Entscheider durch Computerworld 2021 zeigte. Nur rund 8% der Befragten erkannten die Blockchain-Technologie als Zugpferd der Schweizer ICT-Industrie an.
Trotz dieses ernüchternden Resultats ist die Tendenz steigend. Denn im Vergleich zu 2020 hat sich die Anzahl der Befragten, welche die Blockchain-Technologie als wichtig für ihr Unternehmen betrachten, verdoppelt. Diese Tendenz dürfte in den kommenden Jahren aufgrund der im Jahr 2021 in Kraft getretenen bundesrechtlichen Änderungen betreffend DLT weiter anhalten. Diese Anpassungen haben den Weg zur Entstehung von digitalen Börsen und Wertpapieren in der Schweiz geebnet.
Mit dem Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register sowie die zugehörige Mantelverordnung hat die Schweiz am 1. August 2021 als eines der ersten Länder der Welt gesetzliche Regelungen für die DLT in Kraft gesetzt. Erste Änderungen im Wertpapierrecht (Teil des Obligationenrechts) traten bereits am 1. Februar 2021 in Kraft.
Das Gesetz ist kein eigenständiges, spezifisches Gesetz, sondern ein Mantelerlass, der eine Reihe existierender Bundesgesetze sinnvoll anpasste – mitunter das Wertpapierrecht, Bucheffektengesetz, Finanzinfrastrukturgesetz und Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz. Die rechtlichen Änderungen lassen sich in folgende drei Hauptpunkte zusammenfassen.
1) Das Wertpapierrecht wurde geändert, damit für den Handel von Rechten über elektronische Register eine sichere rechtliche Grundlage besteht. Dadurch wurden sogenannte Registerwertrechte eingeführt. Dieser neu entstandene Rechtsbegriff umfasst die Kategorie von Token, die eine Rechtsposition (Forderung, Mitgliedschaft) darstellen. Dadurch werden diesen Token ähnliche Rechtswirkungen anerkannt wie Wertpapieren.
Anstatt an der Börse werden diese Registerwertrechte via DLT-basierende elektronische Register ohne Intermediäre (wie beispielsweise Banken) gehandelt und übertragen. Effektiv können diese Registerwertrechte als digitale Wertpapiere und die elektronischen Register als digitale Börsen betrachtet werden.
2) Das Finanzmarktinfrastrukturrecht wurde um eine neue Bewilligungskategorie für DLT-Handelssysteme erweitert, die durch die Eidgenössische Finanzaufsicht FINMA erteilt wird. Eine solche Bewilligung erlaubt es, gewerbsmässig eine Einrichtung zum multilateralen Handel von DLT-Effekten zu betreiben. Das DLT-Handelssystem muss dazu als juristische Person nach schweizerischem Recht mit dem Sitz und Hauptverwaltung in der Schweiz vertreten sein.
Zu den DLT-Effekten gehören nebst den neu entstandenen Registerwertrechten auch andere Wertrechte, die in verteilten elektronischen Registern gehalten werden. Diese zweite, nicht eindeutig abgegrenzte Kategorie von DLT-Effekten setzt voraus, dass die Wertrechte mittels technischer Mittel dem Gläubiger, aber nicht dem Schuldner das Verfügungsrecht über das Wertrecht vermittelt.
Durch eine Änderung des Bucheffektengesetzes, das die Verwahrung von Wertpapieren und Wertrechten und deren Übertragung rechtlich regelt, gelten solche DLT-Handelssysteme nun auch als Verwahrungsstelle.
3) Schliesslich wurde das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz angepasst, damit die Aussonderung kryptobasierter Vermögenswerte im Falle eines Konkurses rechtlich geklärt ist. Damit ist es der Konkursverwaltung im Konkursfall neu möglich, eine Verfügung über die Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte zu erlassen, die durch Gläubiger beansprucht werden können.
Durch das Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register ist die Grundlage zur Entstehung digitaler, DLT-basierter Börsen geschaffen, die den Handel von digitalen Wertpapieren ermöglichen. Damit gehört die Schweiz zu einem der ersten Ländern weltweit mit gesetzlichen Regelungen für die DL- und Blockchain-Technologien, die sie als Finanzplatz weiter fördern werden.
Die daraus resultierende Rechtssicherheit bringt für Unternehmen, die die junge DL- und Blockchain-Technologien einsetzen, im internationalen Vergleich einen strategischen Vorteil und erhöht dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Besonders Fintech-Start-ups, die an der Schnittstelle zwischen dem hochregulierten Finanzmarkt und bis anhin (noch) wenig regulierten jungen Technologien operieren, profitieren von einer konsequenten Anwendung einschlägiger Regeln.
Nur einen Monat nach der Inkraftsetzung des Gesetzes erteilte die FINMA die erste Bewilligung als DLT-Handelssystem, und zwar der SIX Digital Exchange, dem Tochterunternehmen der grössten Schweizer Börse SIX Swiss Exchange. Im Juli 2022 hat das Unternehmen seine ersten digitalen Aktien herausgegeben. Obschon die Branche der digitalen Börsen und Wertpapiere zurzeit noch in den Kinderschuhen steckt, ist die Erteilung weiterer Bewilligungen und die Entstehung neuer digitaler Börsen in der Schweiz absehbar.
Fazit
Durch das neue Bundesgesetz ist die Entstehung neuer Firmen, die von der Rechtssicherheit für die DL- und Blockchain-Technologien profitieren können, absehbar. Ebenso wird diese Sicherheit, kombiniert mit der Stärke der Schweiz als Forschungsstandort für Zukunftstechnologien, zu neuen Entwicklungen führen, die kommerziell genutzt werden können. Insgesamt trägt die neue Legislation zur voranschreitenden Maturität der DLT- und Blockchain-Industrie bei, die bis anhin aufgrund fehlender Regulierung als risikoreich galt.
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