Digital Twin – what else?
Die Digitalisierung verändert die Ausgangslage und die Möglichkeiten eines Dienstleistungsangebots stark. Die digitale Transformation ist aber nicht der einzige Treiber für Veränderung. Auch steigende Anforderungen an die Nachhaltigkeit eines Gebäudes, die Globalisierung des Immobilienmarktes oder der allgemeine Wettbewerbsdruck sind Einflussfaktoren. Die Nachhaltigkeit einer Immobilie und der Fokus auf die Kundenbedürfnisse rücken ins Zentrum. Energieabsenkung, Kreislaufwirtschaft, Reaktionszeiten, Transparenz, und Informationsbedürfnis sind nur wenige Stichwörter, die unsere Kunden und Stakeholder immer beschäftigen.
Mit einer Potential-Analyse der technologischen Treiber in der Immobilienwirtschaft konnten wir im Rahmen von Interviews bei führenden Dienstleistern und Investoren zeigen, dass vor allem die beiden Treiber Daten und Plattformen mittelfristig sehr vielversprechend scheinen. Dem Konzept des Digital Twin liegen genau diese beiden relevantesten Faktoren zugrunde. Daten aus verschiedenen Quellen werden gesammelt und an einem zentralen Ort zur Verfügung gestellt. Natürlich braucht es auch die Intelligenz und weitere Technologien, um das Konzept abzurunden.
Das Wort «Digital Twin» wurde erstmals von der NASA in einem Bericht im Jahr 2010 zur Apollo-13 Mission verwendet. Interessant ist, dass die Apollo-13 Mission vor bereits 50 Jahren stattgefunden hat. Schon damals hat die NASA für die Problemlösung die Systeme am Boden exakt nachgebaut und mit «Echtzeit-Daten» des fliegenden Originals gespiesen.
Wir definieren den digitalen Zwilling, Digital Twin wie folgt:
- Ein Digital Twin ist ein realitätsgetreues digitales Abbild eines physischen Objektes.
- Der Digital Twin ermöglicht Parameter, Informationen und Echtzeitdaten sowie Ziel und Zweck eines Objekts
- Mit dem Digital Twin lassen sich Performance, Verhalten und Nutzung eines Objekts abbilden, vorhersagen und optimieren.
Inzwischen gibt es bereits unzählige Anwendungen von Digitalen Zwillingen:
- Es werden datengetriebene Zwillinge von ganzen Städten mit diversen Informationen von Zonenplänen, Gebäudeinformationen, Grünflächen, Baulinien und vielem mehr erstellt.
- Die Industrie erstellt digitale Zwillinge von Produkten oder sogar Produktionsstrassen, um so über diverse Feedbackloops die Produkte besser den Kundenbedürfnissen anzupassen und so weniger Risiken einzugehen. Die Unternehmen optimieren und überwachen laufend die gesamte Produktion (Reduktion von Produktionsausfällen, optimierte Durchlaufzeiten, etc.). Digital Twins eröffnen in allen Bereichen grosses Potential, ob bei einfachen Konsumgütern oder komplexe Produkte wie Autos, Flugzeuge oder sogar Windenergieanlagen.
- Auch beim Menschen: Er erstellt Abbilder von sich selbst in den sozialen Medien (LindekIn, Facebook, Instagram, etc.) und füttern diese zum Teil täglich mit Informationen. Aber auch in der Medizin werden Digitale Avatare erstellt, um schnellere Untersuchungen, genauere Ferndiagnosen oder sogar für die Analyse von Wirkung und Nebenwirkung von Medikamenten vorhersagen zu können.
Was ist ein Digital Twin und was spielt er für eine Rolle in der Immobilienbranche?
Immobilien sind nicht mit normalen Gütern vergleichbar. Es gibt drei wesentliche Unterschiede:
- Lebensdauer
- Kostenallokation über die Lebensdauer (20/80)
- Individualität jedes einzelnen Produkts
Digital Twin für Immobilien anhand des Immobilien-Lebenszyklus’ erklärt:
Bereits vor dem Bau wird der DT erstellt und mit möglichst vielen Infos gefüttert, um schon in dieser Phase ein Abbild des zukünftigen Objekts zu schaffen. Dieses Abbild ermöglicht die frühzeitige Variantenentwicklung. Somit kann ein Verkauf der Immobilie schon vor dem effektiven Bau erfolgen. Der Kunde weiss genau, was er kauft und erlebt später keine bösen Überraschungen. Die time-to-market wird dadurch markant reduziert. Spätere Aufwände durch nachträgliche Anpassungen werden während oder nach der Bauzeit vermieden.
Als Vorbereitung zur Realisierung kann die Baustelle bereits virtuell aufgebaut, getestet und optimiert werden. Die Daten dazu stammen grösstenteils aus dem Building Information Model kurz BIM, können aber durch weitere Daten aus dem gesamten Ökosystems des Baus komplettiert werden. So wird die gesamte Supply Chain über die komplette Baustelle modelliert. Auch der benötigte Platzbedarf der ganzen Baustelle wird reduziert, was vor allem bei den engen Platzverhältnissen in urbanen Regionen von Vorteil ist. Die Kostenallokation, bis Fertigstellung kann vorhergesagt und somit die Finanzierung frühzeitig gesichert werden.
Auch während dem Bau bietet der digitale Zwilling Optimierungsmöglichkeiten. Just-in-Time-Lieferungen werden geplant und laufend auf den effektiven Baufortschritt abgestimmt. Verzögerungen können direkt mit nachfolgenden Schritten koordiniert werden. Arbeitsschritte mit teuren Baumaschinen werden geplant, deren Einsatz verbessert und Wartezeiten reduziert. Durch Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) wird die virtuelle Planung mit dem Bau vor Ort abgeglichen und Fehler direkt entdeckt und korrigiert. Dies geschieht insbesondere bei Elementen, die bei einer Abnahme nicht mehr sichtbar sind und später evtl. hohe Folgekosten mit sich bringen.
Heute wird der Digital Twin aufgrund der vielen Bestandesbauten in den allermeisten Fällen erst in der Nutzungsphase erstellt. Hier stehen auch die meisten Informationen zu den Objekten zur Verfügung und der Digital Twin kann sein volles Potential entfalten. Die Nutzungs-, Betriebs- und Echtzeitdaten aus dem Objekt speisen den digitalen Zwilling. Diese werden mit weiteren Datenquellen kombiniert und erwecken den Zwilling so zum Leben. Dadurch wird die Performance, das Verhaltung und die Nutzung des Objekts abgebildet und so diverse Anwendungen ermöglicht:
- Schnittstellen in Immobilienunternehmen über verschiedene Abteilungen werden vereinfacht, bzw. durch eine einheitliche
- Reportings werden mit Echtzeitdaten und weiteren Daten angereichert und können jederzeit generiert werden
- Transparenz entsteht, was die Nutzung, den Betrieb wie auch das Wohlbefinden im Gebäude optimieren kann.
Ziel ist nicht möglichst viele Daten auf einmal anzubinden und neu zu schaffen, sondern die heute bestehenden Silos aufzubrechen, zusammenzufassen und in einem Datenmodell zur Verfügung zu stellen. Und das über den gesamten Lifecycle.
Eine Aufzählung von möglichen Datenquellen mit Beispielen dazu zeigt das grosse Potential auf:
- Objektdaten: Zertifizierungen und Labels, Mikro / Makrolage, Mieterspiegel
- Asset-Management-Daten: Objektstrategie, Absenkpfade, Bewertung & Finanzierung
- BIM mit allen 7 Ds: Planung 3D, Umsetzungsplanung; Kostenanalyse; Nachhaltigkeit und Effizienz; Betrieb und Facility-Management.
- Externe Quellen: Umwelt- und Wetterdaten, Finanzmarktdaten
- Facility Management: FM-Daten aus dem gesamten Betrieb, die vielfach in einem Computer-Aided-Facility-Management (CAFM) liegen
- Fach Applikationen: ERP, CRM, Baumanagementtool
- Echtzeit und Nutzungsdaten aus den Smart-Building-Systemen, Internet of Things (IoT), Leittechnik und Gebäudeautomation
Nur Daten sammeln reicht jedoch nicht aus. Das Hauptziel des Digital Twins ist Mehrwert zu schaffen. Doch wie? Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten:
- Interne Optimierung wie die Effizienzsteigerung und Kostenreduktion
- Verbesserung des Kundenerlebnisses, bzw. Schaffung neuer Kundenerlebnisse
- Oder die Kombination dieser beiden Punkte im Rahmen der Identifikation von neuen Services oder sogar neue Geschäftsmodellen
Dabei bildet der Digital Twin und vor allem die Verknüpfung der verschiedenen Datenquellen zu einer Gesamtsicht die Grundlage. Der digitale Zwilling ist Enabler, aus Daten wirklich Mehrwert zu schaffen. Die Herangehensweise kann beidseitig erfolgen. Einerseits mit der Identifikation von Use Cases und der Ableitung der benötigen Datenquellen, andererseits mit der Analyse der kombinierten Datenquellen mit Data-Analytics und den somit gewonnen Erkenntnissen zur Kreation von Use Cases.
Ein aktueller Use Case ist das ESG Reporting (ESG = Environmental, Social, Governance). Zur Erstellung werden die Daten des Objekts mit externen relevanten Quellen im digitalen Zwilling kombiniert: Die Objektstrategie mit entsprechendem Energieabsenkpfad und den konkreten Massnahmen bilden die Grundlage. Dazu kommen die Nutzungs-, Verbrauchs- und Echtzeitdaten aus den Leitsystemen oder IoT-Sensoren des Objekts. Diese werden weiter mit Zertifizierungs- oder Öko-Label Daten angereichert und mit externen Quellen wie Umweltdaten sowie regulatorische Vorgaben kombiniert.
Diese Datenbasis wird im Detail analysiert, die Risiken abgeleitet und quantifiziert. Weiter wird anhand von Vorgaben der EU-Taxonomie der CO2 Abdruck des Gebäudes kalkuliert. Das Reporting wird auf Basis dieser Daten generiert und dient einerseits der Transparenz der Anleger, anderseits ist es ein Mittel zur Prüfung der Erfüllung der Regulatorien. Zudem dient das Reporting auch dem Asset-Management zur aktiven Steuerung und der kontinuierlichen Verbesserung der Immobilien. Sie beeinflusst die Nachhaltigkeit positiv.
Diese vereinfachte Darstellung gibt Ihnen einen groben Überblick auf die wichtigsten Elemente in der Kette von der Datenquelle bis zum gewünschten Output.
- Unterschiedliche Datenquellen benötigen unterschiedliche Schnittstellen (ERP-System, Gebäudeleitsystem, BIM, IoT) à Protokolle, Batch, Events, etc.
- Die Rohdaten werden im digitalen Zwilling gespeichert. Sie können aber aufgrund der unterschiedenen Art und Weise noch nicht direkt weiterverwendet werden und brauchen zuerst eine Verarbeitung. Mit der Transformation werden die Daten prozessiert, so dass sie in einem Datenmodell bereitgestellt werden können.
- Der Zugriff aus den Services, der Zielsysteme oder APIs erfolgt auf den DataLake, das Data Warehouse oder DataMarts. Diese Umsetzung der Bereitstellungsschicht ist stark vom entsprechenden Zielservice und dessen Anforderungen abhängig.
Unbedingt zu beachten sind die Elemente im Bereich der Daten-Sicherheit: Cyber Security & Privacy, Data Governance und Data Access. Diese Bereiche sind für eine nachhaltige Nutzung des Systems elementar und werde oft zu spät adressiert.
Eraneos hat einige Projekterfahrung von den strategischen Überlegungen bis und mit der Umsetzung. Vier Tipps möchten wir Ihnen gerne mitgeben.
- Architektur: -> Think big
Die Architektur soll flexibel und für spätere Erweiterungen ausgelegt sein. Dabei sind Kosten- und Anforderungstreibende Cases zu berücksichtigen, die sogenannten Edge-Cases - Use Cases: -> Start small
Identifizieren sie einen Use Case mit dem sie erste Mehrwerte erzielen können und setzen sie diesen als Proof of Concept für die Architektur um, am besten mit Minimum Viable Products MVPs - Daten -> Data to value
Binden Sie im ersten Schritt nur die wirklich Case-relevanten Quellen an. Identifizieren sie das richtige oder die richtigen Datenmodelle für Ihre Anwendungszwecke. Gerade bei Immobilien kann ein semantisches Modell für die Allokation der Daten an einer Gebäudestruktur interessant sein - Security -> Security first
Sie arbeiten mit vielen geschäftsrelevanten und personenbezogenen Daten. Berücksichtigen Sie Sicherheits-Fragen von Anfang an und beziehen Sie Experten mit ein.
Als unabhängiges Schweizer Beratungsunternehmen und Expertin für Informatik und Leittechnik garantiert Eraneos den erfolgreichen ICT-Einsatz rund um Ihre Immobilien.
Die 3 grössten Herausforderungen im Jahr 2022
Berichte zu unseren Projekten, Wissenswertes aus den verschiedenen Kompetenz- und Kundenbereichen als auch Informationen über unser Unternehmen haben wir hier für Sie zusammengetragen.