Peter ist Produktionsleiter der Keksfabrik AG. Seit einiger Zeit kleben die Kekse nach dem Backen auf den Rutschen fest und verhindern den weiteren Transport. Er vermutet, dass das Problem mit der Umgebungstemperatur in der Produktionshalle zusammenhängt und entscheidet sich, das Problem mit einer Datenanalyse anzugehen. Wie erkennt Peter nun digitale Verschwendungen (Muda) im Produktionsprozess? Wie vermeidet er die «acht Arten der digitalen Verschwendung», damit der Mehrwert der Datenanalyse grösser ist als der Aufwand?
Produzierende Firmen möchten Prozesse vermeiden, die Kosten verursachen, aber keinen Wert erzeugen. Das wird mit einem ganzheitlichen Produktionssystem im Lean Manufacturing erreicht. Ziel ist, digitale Verschwendungen (Muda) zu vermeiden, insbesondere in Bezug auf den Materialfluss.
Mit zunehmender Digitalisierung fallen immer mehr Daten und Informationen an. Dabei entsteht häufig digitale Verschwendungen. In Projekten von Eraneos hören wir oft Aussagen wie: «Wir haben viele Daten, aber wir trauen der Qualität nicht». Oder: «Wir wissen nicht, was wir mit den Daten anstellen können».
Genau hier setzt die Methode der 8 Arten der Verschwendung von Eraneos an. Wir zeigen Ihnen:
- Welche negativen Auswirkungen digitale Verschwendungen haben.
- Welche Arten der digitalen Verschwendung es gibt.
- Wie Sie diese identifizieren und vermeiden können.
Wir begleiten Peter auf seinem Lösungsweg und vermeiden dabei die digitalen Verschwendungen (Muda). Hier ist die Übersicht über alle 8 Arten.
Nutzen Sie diesen Fragebogen, er unterstützt Sie bei der Identifikation von digitalen Verschwendungen. Laden Sie das PDF "Identifikation der 8 Arten der digitalen Verschwendung – Gemba Walk" herunter und setzen Sie es beim Gemba-Walk ein.
Peter kann bei einer datengestützten Problemlösung nur Daten untersuchen, die er gemessen und aufgezeichnet hat. Wichtig ist die Datenauswahl, weshalb er auch an diesem Punkt ansetzt. Derzeit werden in der Keksfabrik AG nur Temperaturen im Aussenbereich erfasst. Diese Temperaturdaten dienen jedoch keinem Zweck und haben demzufolge keinen Nutzen. Daher entscheidet sich Peter nun die Temperatur im Produktionsbereich, statt im Aussenbereich zu messen mit der Zielsetzung, diese Daten für die Datenanalyse zu nutzen.
Anmerkung: Digitale Verschwendungen entstehen, wenn ein Ziel oder Anwendungsfall mit Daten erreicht und umgesetzt werden könnte, doch die benötigten Daten werden gar nicht erfasst.
Fragen zur Datenauswahl:
- Habe ich zu allen erfassten Daten einen Zweck definiert?
- Gibt es Daten, die bisher nicht erfasst wurden, aber einen Mehrwert bieten würden?
Im Moment wird in der Keksfabrik AG die Temperatur mehrmals täglich in unregelmässigen Zeitintervallen abgelesen und notiert. Daher definiert Peter neu einen Standard für die Datenqualität, in dem die Temperatur auf zwei Nachkommastellen in der Einheit Celsius alle 30 Minuten (Bspw. 24,35 Grad Celsius – 13.04.2021 11:32 Uhr) ausgelesen wird. Dieses Format bietet eine gute Grundlage für eine präzise Ursachenanalyse der klebenden Kekse.
Anmerkung: Digitale Verschwendungen entstehen, wenn sich die Datenqualität ändert oder diese nicht für den gewählten Use Case/Anwendungsfall definiert ist. Daten, die nicht vollständig, lesbar oder interpretierbar sind, haben einen geringen Nutzen. Mögliche Ausprägungen für die Definition können dabei Herkunft, Inhalt, Granularität, Erfassungsfrequenz, Konsistenz oder Bedeutung sein. Zudem sollten die Daten durch einen Zeitstempel oder eindeutige Identifikation (Nummer etc.) einander zugeordnet werden.
Fragen zur Datenqualität
- Erfasse ich die Daten in einem standardisierten Format?
- Habe ich die Verantwortlichkeiten für die Definition und das Erfassen der Daten klar geregelt?
- Kann ich die erfassten Daten einander zuordnen, zum Beispiel über einen Zeitstempel?
In der Produktionshalle der Keksfabrik AG wird die Umgebungstemperatur analog auf einem Thermometer abgelesen und auf Papier notiert. Daher automatisiert Peter die Temperaturerfassung mit einem digitalen Sensor und reduziert so den Ressourcenaufwand für das Erfassen der Daten.
Anmerkung: Digitale Verschwendungen entstehen, wenn der Aufwand für die Datenerfassung nicht im Verhältnis zum Nutzen steht. Dies ist häufig der Fall, wenn Daten manuell erfasst werden. Zum einen ist dieser Prozess zeitaufwändig und bindet personelle Ressourcen. Zum anderen ist der Prozess dadurch fehleranfälliger.
Fragen zum Prozess der Datenerfassung:
- Ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Datenerfassung angemessen?
- Wie oft werden wiederholende Tätigkeiten zur Datenerfassung durchgeführt?
- Wie fehleranfällig ist die Datenerfassung?
- Kann ich den Prozess der Datenaufnahme automatisieren?
Bis anhin wurden die Daten in der Keksfabrik AG aus dem digitalen Sensor ausgelesen, in Excel gespeichert und als CSV-Datei zur Analyse geschickt. Neu lässt Peter die Temperaturdaten automatisiert per OPC-UA auf eine private Cloud übertragen. Alle Abteilungen wie Qualitäts-Management oder Engineering haben nun einen direkten Zugriff auf die Daten. Dadurch wird der Aufwand für die Datenübertragung minimiert und ist weniger fehleranfällig.
Anmerkung: Digitale Verschwendungen entstehen, wenn Daten von einem Medium in ein anderes übertragen werden (Medienbrüche). Entsprechend müssen Datenspeicherung und -transport so ausgelegt sein, dass der Austausch und die Nutzung der Daten ohne grosse Hürden möglich sind. Wir empfehlen, digital erfasste Daten wenn möglich über offene Standards (z.B. OPC-UA) auszutauschen, um eine grosse Flexibilität zu ermöglichen.
Fragen zur Datenübertragung
- Übermittle ich Daten noch auf Papier, zum Beispiel über eine Auftragskarte?
- Wie und wohin werden die Daten übermittelt?
- Lege ich die Daten zentral und für alle mit entsprechender Zugangsberechtigung aufrufbar ab?
Bis jetzt wurden die digitalen Messwerte des Temperatursensors kurz vor Schichtbeginn an den Prozessverantwortlichen des Backofens übermittelt. Hier entstanden teilweise Verzögerungen. Deshalb lädt Peter die Daten neu direkt nach dem Erfassen auf die Cloud, sodass die aktuellen Daten immer zur Verfügung stehen. Diese können vom Prozessverantwortlichen direkt genutzt werden, um die optimalen Einstellungen für den Ofen zu berechnen.
Anmerkung: Digitale Verschwendungen entstehen, wenn benötigte Daten nicht zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Je länger die «Transportzeiten», desto später können die Daten an ihrem Bestimmungsort in Entscheidungsprozessen genutzt werden. Gründe dafür können sein, dass die Daten nicht schnell genug übermittelt (inkl. Latenzzeiten im System) oder noch verarbeitet werden.
Fragen zu Beständen und Wartezeiten
- Sind die Daten zum richtigen Zeitpunkt verfügbar?
- Gibt es Verzögerungen aufgrund fehlender Daten?
Bis jetzt stellte Peter ein Modell bereit, das die Einstellungen des Ofens berechnet und in der Cloud bereitstellt. Die Informationen mussten von den Mitarbeitenden an einem PC im Leitstand abgerufen werden. Neu stellt Peter ein Tablet direkt am Backofen bereit, dass die vom Modell berechneten Einstellungen anzeigt. Die Mitarbeitenden erhalten somit an ihrem Arbeitsplatz alle Informationen, die sie für ihre Tätigkeit benötigen.
Anmerkung: Digitale Verschwendungen entstehen, wenn durch manuelle Tätigkeiten Daten aus unterschiedlichen Speichermedien zusammengetragen werden müssen, d. h., wenn Daten zwar vorhanden sind, aber noch gesucht werden müssen, bevor sie für eine Entscheidung genutzt werden können.
Fragen zum Transport / zur Bewegung & Suche
- Finden meine Mitarbeitenden die benötigten Daten ohne Suchaufwand?
- Ist das ausgewählte Medium zur Darstellung geeignet?
Bis jetzt hat die Analyse der Temperaturdaten ergeben, dass bei kalten Aussentemperaturen die Kekse häufiger kleben. Daher hat Peter neu mit dem Prozessverantwortlichen des Backofens eine gemeinsame Analyse durchgeführt und die Aussentemperatur mit den Temperaturdaten im Ofen kombiniert. Sie haben herausgefunden, dass der Ofen die gewünschte Temperatur aufgrund der kalten Aussentemperatur nicht erreichen kann. Peter kann nun die optimale Einstellung für die Backtemperatur berechnen anhand der Abhängigkeit zwischen den beiden Temperaturen.
Anmerkung: Digitale Verschwendungen entstehen, wenn die Analystinnen und Analysten nicht eng genug mit den Prozessexperten zusammenarbeiten und die Analysemethoden sich nicht an den tatsächlichen Anforderungen und Anwendungsfällen orientieren. Weitere Verschwendungen entstehen, wenn nicht alle zur Verfügung stehenden Daten für die Analysen genutzt werden. Daten sollten miteinander verknüpft werden, um weiterführende Analysen durchzuführen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die Datenanalyse ist als Methode und Prozess eine Fähigkeit, die in einer Organisation zunächst entwickelt werden muss. Entsprechend gibt es vielfältige Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit und den Erfolg von Analysen.
Fragen zur Datenanalyse:
- Werden die erfassten Daten für Analysen verwendet und wann zuletzt?
- Nutze ich die Erkenntnisse aus den Analysen?
- Entsteht durch die Nutzung der Erkenntnisse für mich einen Mehrwert?
Bis jetzt erhielten die Mitarbeitenden alle erfassten Daten auf einem Dashboard. Sie mussten sich jeweils die relevanten Informationen aus einer Vielzahl an Daten heraussuchen. Neu visualisiert Peter nur die optimalen Ofeneinstellungen auf dem Dashboard und stellt diese Informationen den Mitarbeitenden zur Verfügung. Sie können jetzt die richtigen Einstellungen am Ofen vornehmen ohne lange Einarbeitung oder tiefgreifende Prozesskenntnisse.
Anmerkung: Digitale Verschwendungen entstehen, wenn Informationen nicht nutzergerecht visualisiert werden oder wenn aus den Daten keine konkreten Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Damit sich die aus den Daten gewonnen Erkenntnisse auch in den Unternehmensergebnissen widerspiegeln, müssen diese für den Praxiseinsatz verfügbar und aufbereitet sein. Die Mitarbeitenden haben häufig eine Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben und Herausforderungen in ihrem Arbeitsalltag. Entsprechend viel Aufwand sollte in die nutzergerechte Bereitstellung der Daten und Erkenntnisse gesteckt werden.
Fragen zur Entscheidungsunterstützung
- Habe ich die Informationen anwender- und zielgruppengerecht aufgearbeitet?
- Werden die Visualisierungen, Softwareoberflächen oder Empfehlungen aktiv genutzt?
Fazit
Der Ofen wird anhand der Umgebungstemperatur mithilfe der Datenanalyse und den am Arbeitsplatz bereitgestellten Informationen optimal eingestellt. Die Kekse kleben nicht mehr auf den Rutschen. Die Prozessstabilität ist deutlich gestiegen und ungeplante Stopps in der Keksfabrik werden reduziert.
In diesem Artikel haben wir Ihnen die acht Arten der digitalen Verschwendungen vorgestellt. Peter Produktionsleiters Geschichte hat einige Ineffizienzen im Umgang mit Daten aufgezeigt. Die Vermeidung von Verschwendungen ist ein kontinuierlicher Prozess und braucht Zeit. Für den nächsten Gemba-Walk haben wir für Sie einen One-Pager mit den wichtigsten Fragen erstellt. Dieser Fragebogen unterstützt Sie bei der Identifikation von digitalen Verschwendungen. Laden Sie das PDF-Dokumente "Identifikation der 8 Arten der digitalen Verschwendung – Gemba Walk" hier herunter.
Dieser Blogbeitrag basiert auf der Dissertation von Dr.-Ing. Tobias Meudt. Referenz: https://tubiblio.ulb.tu-darmstadt.de/123263/
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